Sich freiwillig und bewusst mit dem eigenen Konsum beschäftigen

Von dieser Art des Konsums hat sich Daniel Siewert (32) schon vor knapp neun Jahren abgewendet. Materielle Geschenke werden von ihm nicht mehr verschenkt und er selbst möchte auch keine mehr annehmen. Was mit reiner Neugier für ein Buch über Minimalismus begann, wurde nach einiger Zeit zu seiner Lebenseinstellung. „So wenig wie möglich und so viel wie nötig besitzen“ beschreibt Daniel den Gedanken des Minimalismus. Er selbst nennt sich jedoch lieber Konsumkritiker. Zum ersten Gespräch bringt Daniel seinen eigenen Tee mit und verzichtet bestimmt aber freundlich auf die Einladung zum Kaffee. Viel mehr interessiert ihn die hochschuleigene Bibliothek um die Ecke. Denn Bücher ausleihen, anstatt zu kaufen, das ist minimalistisch. Dabei gehe es bei der Lebenseinstellung nicht darum, nur eine bestimmte Anzahl an Dingen zu besitzen, auf alles zu verzichten oder besonders umweltfreundlich zu leben, sondern sich einfach freiwillig und bewusst mit dem eigenen Besitz und Konsum zu beschäftigen.

In seiner 40m² großen Wohnung versucht Daniel (32) möglichst minimalistisch zu leben.

Sozialer Druck animiert Gesellschaft zum Konsum

Die Konsumfreudigkeit der Gesellschaft erklären sich Minimalisten mit dem Streben nach Sicherheit und sozialer Zugehörigkeit. Im Gespräch nennt Daniel als Beispiel die tägliche Facebook-Timeline: „Wenn ich dort sehe, was meine sogenannten Facebook-Freunde posten, dann wird man sich schon das ein oder andere Mal fragen: Warum hat der so ein geiles Leben und ich nicht?“ und erklärt, dass diese Bedürfnisse den Menschen von ihrer Außenwelt nur eingeredet werden.

Minimaler Konsum für maximale Zeit

Beim Betreten von Daniels kleiner Wohnung ist auf den ersten Blick kaum einen sichtbaren Hinweis auf seinen speziellen Lebensstil zu finden. Ein paar zweckmäßige zusammengewürfelte Kommoden und Schränke, hier und da etwas Dekoration. Öffnet er jedoch ein paar Türen und Schubladen, ist schnell zu erkennen, dass er bereits viele Dinge aussortiert hat, die manch einer im heimischen Schrank verstauben lassen würde. Schnell fällt ein neugieriger Blick auf einen bunt gefüllten Umzugskarton, der etwas fremd im Flur herumsteht. Weihnachtsdüfte, CDs, Poster –  Daniel erklärt, dass er gerade Dinge aussortiert, die er noch zur Diakonie in der Nähe bringen möchte. Denn er spendet alles, was er länger nicht benutzt hat und kauft, wenn möglich, nur gebrauchte Gegenstände. Kleidung trägt er so lang wie möglich. Geht eine Hose kaputt, kauft er sich auch nur eine neue. Als größten Vorteil des minimalistischen Lebensstils sieht Daniel die neue Unabhängigkeit. „Wenn ich mein Geld nur noch für Dinge ausgebe, die ich brauche, dann komme ich schnell an die Stelle, wo ich mich frage, warum man eigentlich mehr verdient, als man zum einfachen Leben braucht“, erklärt er, trinkt einen Schluck Tee und erzählt stolz von seinem Minimalismus-Blog, auf dem fast täglich von seiner Lebenseinstellung berichtet.

 

Minimalismus heißt nicht zwingend spartanisch zu leben

Viele Schränke und Schubladen in Daniels Wohnung sind kaum gefüllt.

Schaut man sich im Internet um, begegnet man in der Bildersuche zum Stichwort „Minimalismus“ leer geräumten Schlafzimmern, die lediglich mit einer Matratze und einem kleinen Kleiderschrank möbliert sind. In Foren werden Ratschläge zu möglichst praktischer Winterkleidung ausgetauscht und Adventskränze präsentiert, die lediglich aus vier Teelichtern und einem schlichten weißen Teller bestehen. Beim Blick in Daniels Geschirrschrank passt das Bild von den vier Tellern, zwei Tassen und vereinzelten Plastikdosen und -flaschen sehr gut in das zuvor recherchierte Klischee. Schaut man sich weiter in der Wohnung um, findet man einige Dinge, die Daniel sich trotz Konsumkritik erlaubt. „Denn auch im Minimalismus“, erklärt er, „gibt es unterschiedliche Ansichten, was jetzt genau ein Minimalist macht oder lässt und was er besitzt oder wiederrum nicht besitzt“. Auf dem Weg in das kleine Wohnzimmer stellt Daniel seine Katze vor, die er vor einigen Jahren aus dem Tierheim geholt hat. Er zeigt bei einem Rundgang durch seine 40 Quadratmeter große Wohnung, dass er einige Dinge besitzt, die bei vielen anderen Minimalisten für Unmut sorgen würden – ein paar Videospiele, einen bunt leuchtenden und sprudelnden Luftbefeuchter und einiges an Katzenspielzeug, weil er das Tier einfach lieb gewonnen hat. Er erklärt, dass auch er sich von manchen Dingen nicht trennen kann, manchmal irrationale Kaufentscheidungen trifft und immer wieder versuche, sich von mehr Dingen zu trennen.

Dort anfangen, wo etwas nervt

Versucht man als normaler Konsument Wege zu finden, wie man dem Minimalismus näherkommen könnte, dann stößt man auf verschiedene Ratgeber, die systematisches Ausmisten anleiten. Ein erster Schritt, sich mit dem Minimalismus-Gedanken auseinander zu setzen, kann aber auch schon die Frage „Was stört dich aktuell am meisten an deinem Besitz?“ sein. Ist es beispielsweise die übermäßige Kleidung, kann es helfen am Anfang des Monats alle Kleiderbügel verkehrt herum auf die Kleiderstangen hängen. Die Kleidungsstücke, die am Ende des Monats immer noch verkehrt herum hängen, wurden nicht genutzt. Vielleicht lässt sich darauf verzichten? Weiterhin gibt Daniel gerne den Hinweis, sich nicht immer für die erstbeste Lösung beim Thema Konsum zu entscheiden. „Ärgert man sich über den lästigen und viel zu langen Abwasch, sollte man vielleicht eher sein Geschirr minimieren, anstatt eine Spülmaschine zu kaufen“, rät Daniel und öffnet symbolisch noch einmal seinen spärlich gefüllten Geschirrschrank.