• Dopamin-Fasten ist ein neuer Trend aus dem Silicon-Valley.
  • Die Teilnehmer verzichten innerhalb eines festgelegten Zeitraums auf Internet, Fastfood und alles, was Spaß macht.
  • Ziel der Diät ist es, seinen Alltag bewusster zu leben und produktiver zu sein.

Worauf habe ich mich da eingelassen? Schon als ich die Wörter „Selbstexperiment Dopamin-Fasten“ in meinen Kalender eintrage, fühle ich, wie sich jede Faser meines Körpers zusammenzieht. Drei Tage werde ich auf Medien, Soziale Kontakte, Sport und ungesundes Essen verzichten – kurz, auf alles was Spaß macht. Netflix ist ebenso verboten wie ein Plausch mit Freunden oder die Lektüre eines Buchs.

Die Erfinder des Dopamin-Fasten kommen aus dem Silicon-Valley und verkaufen die Methode als Allheil-Mittel. Nach dem Fasten werde ich nicht nur konzentrierter und glücklicher sein als je zuvor, selbst schwierigste und langweiligste Arbeiten werden zu einem Quell der Freude werden, wenn man den Verfechtern des Trends glaubt.

Wie funktioniert Dopamin-Fasten?

Eine wissenschaftliche Erklärung dafür liefern die Produktivitätsjünger gleich mit: Gehirn und Körper stehen im selben Verhältnis wie Hund und Herrchen. Wenn das Gehirn etwas vom Körper will, gibt es ihm ein Leckerli – das Belohnungshormon Dopamin. An dem Prinzip gibt es jedoch ein Problem: Wenn der Körper bereits mit Dopamin „gesättigt“ ist, funktioniert das Belohnungssystem nicht mehr.

In der heutigen Zeit sind wir dauer-high, weil Social-Media und Fastfood Unmengen von Dopamin ausschütten. Das Fasten soll diesen Zustand unterbrechen und uns wieder empfänglicher für das Hormon machen.

Tag 1 oder der fürchterliche Beginn

Es ist 7 Uhr morgens. Ich starre an die Ecke. Um ehrlich zu sein, fühle ich mich besser als erwartet. Normalerweise würde ich jetzt zu meinem Handy greifen, doch das liegt tief vergraben in der untersten Schublade meines Kellerschranks. Stattdessen gehe ich in die Küche und mache mir entspannt Frühstück. Erst später ahne ich, was mir blüht.

Mir ist langweilig. Normalerweise bin ich immer beschäftigt. Wenn ich nichts zu tun habe, bin ich am Handy. Meine Bildschirmzeit ist jenseits von Gut und Böse und ehrlich gesagt traue ich mich gar nicht, mir meine Onlinestatistiken anzuschauen. Nun aber blicke ich in gähnende Leere.

Putzen gegen Langeweile

Aus Mangel an Beschäftigung beschließe ich produktiv zu sein. Nachdem sämtliche Zimmerpflanzen umgetopft, Schränke von innen geputzt und zwei Uniabgaben fertig im Ordner liegen, überlege ich, was ich noch tun kann. Glücklicherweise startet meine Vorlesung bevor ich auf die Idee komme, mir die Haare abzurasieren oder mein Zimmer neu zu streichen.

Nach stundenlanger Stille fühlt sich die Vorlesung wie eine Netflixserie an. Konzentriert höre ich zu und genieße jede Sekunde, bevor die Unterhaltung endet und mich zurück in meine Isolationshaft schleudert.

Warten auf den Schlaf

Der restliche Tag ist von Langeweile, Reinigungsarbeiten und Stimmungsschwankungen geprägt. Es ist gut, dass soziale Kontakte verboten sind: Nach stundenlangem Internetentzug garantiere ich für nichts. Als es endlich 22 Uhr ist, stoße ich einen Seufzer der Erleichterung aus und gehe ins Bett.

Tag 2 oder die (innere) Mitte

Nachdem ich mich am ersten Tag wie der Proband einer modernen Foltermethode gefühlt hatte, vergeht der zweite Tag entspannt. Heute ist mein Arbeitstag und ich bin die meiste Zeit beschäftigt. Langsam bemerke ich die ersten positiven Aspekte des Fastens. Ich bin vertieft in meine Arbeit und in Windeseile fließen mir die Texte von der Hand.

Auch meine Laune hat sich stabilisiert. War ich gestern emotional eine Mischung aus Kneipenschläger und buddhistischem Mönch, fühle ich mich heute ausgeglichen. Selbst als die Arbeit um 17:30 Uhr zu Ende ist, suche ich nicht krampfhaft nach Beschäftigung, sondern nutze die Zeit für einen Spaziergang.

Die Ruhe vor dem Sturm

Aufmerksam lausche ich den Blättern, sehe den Kaninchen zu, wie sie durch die weiten Wiesen des Industrieparks hoppeln und rieche den frischen Duft von frischgemähtem Gras. Jetzt ist der schwerste Teil des Fastens überstanden und vielleicht hänge ich sogar zwei Tage dran. Was soll da noch schiefgehen?

Tag 3 oder das Martyrium

Ich wache um 7 Uhr morgens mit einem Lächeln auf, wie es für Studenten um diese Zeit schon fast unverschämt ist. Ich beschließe den Tag mit Yoga und einer kleinen Meditation zu beginnen. Mit jeder Bewegung merke ich, wie ich wacher werde und nach dem Frühstück bin ich fit für den Tag, doch wofür eigentlich? Mein Zimmer ist so sauber wie noch nie, meine Pflanzen strahlen saftig grün und meine To-do-Liste ist leer.

Der Kampf gegen das Nichtstun

Krampfhaft suche ich nach einer Beschäftigung. Soll ich vielleicht mein Zimmer umdekorieren? Ein Bild malen? Ein Buch schreiben? Ich setzte mich vor ein leeres Blatt Papier und zwinge mich kreativ zu sein. Doch das Blatt bleibt leer. Ich fühle mich, als hätte ich die Kreativität zusammen mit Snacks, Sport und Medien in Schubladen verbannt. Ich schreibe einen Satz auf: Mir ist langweilig.

Diese Tageslosung setzt sich bei uninspirierten Gängen in den naheliegenden Wald fort und findet erst mit dem Gang ins Bett ihr Ende. Falls es mein Ziel war, Langeweile als etwas positives und als Zeit der Entschleunigung schätzen zu lernen, habe ich versagt. Ich fühle mich eher wie ein 13-jähriger im Hausarrest.

Tag 4 oder Danke Gott

Es ist vorbei. Mir ist danach ein Lobeslied anzustimmen und in einer Ansammlung aus elektronischen Geräten und Gummibärchen zu baden. Bevor ich meine Askese mit der Abrissbirne jubelnd niederreiße, nehme ich mir Zeit für ein medienfreies Frühstück. Bewusst genieße ich jeden Bissen und schalte erst nach dem letzten Schluck Ingwer-Tee mein Handy ein – welche Erleichterung. Auch wenn das Experiment echt hart war und mich nicht von der dauerhaften Dopamin-Askese überzeugt hat, bin ich froh, es versucht zu haben. Denn bei aller Unterhaltsamkeit von Instagram und YouTube, es tut gut, innezuhalten und bewusst zu leben. Auch wenn ich Social-Media weiterhin nutze, beschließe ich, meinen Konsum künftig etwas zu verringern.