Reisen in Thailand, Work and Travel in Australien, Au Pair in Amerika – viele von uns gehen nach dem Abitur ins Ausland, um etwas von der Welt zu sehen. Was ist aber, wenn du dein Auslandsjahr in der Welt von Mickey Mouse, Cinderella und Winnie Pooh verbringst? Die zwanzigjährige Kia hat nach ihrem Abitur einen außergewöhnlichen Weg gewählt und ist für ein Jahr in die Walt Disney World nach Orlando in Florida geflogen, um dort zu arbeiten und zu leben. Die Walt Disney World ist ein beliebtes Ferienziel für Disney-Fans aus der ganzen Welt. Wir haben Kia getroffen und erfahren, wie man sich ein Leben an diesem märchenhaften Ort vorstellen kann.

Disney-Absolventin Kia im Interview

Nach der Schule ein Jahr lang in die Disney World und somit ein Stück zurück in die Kindheit zu gehen ist nicht alltäglich. Wie kommt man darauf?
Weder wollte ich gegen das Erwachsenwerden rebellieren, noch war ich ein Disney-Fan – bei mir war es eher Zufall. Ich wollte ins Ausland und war einfach nicht der Typ für Work and Travel, wollte deshalb was anderes machen. Meine ehemalige Mathelehrerin hat mich darauf gebracht und mir erzählt, dass das Jahr in Disney World abwechslungsreich ist. Außerdem sei es eine gute Chance, um das Land kennenzulernen, da man dort eben auch Geld verdient. Ich fand das super spannend und habe mich dann einfach mal beworben. Ein paar Wochen später hatte ich dann schon ein Bewerbungsgespräch in Berlin und wurde angenommen, um ein Jahr lang dort zu leben und zu arbeiten. 

Wie kann man sich das Leben in der Disney World vorstellen?
Disney stellt insgesamt vier Wohnkomplexe. Ich konnte mir vorher überlegen, wo ich wohnen möchte und mit wie vielen Mitbewohnern. Ich habe mich damals für die Patterson Court Apartmenents entschieden und bin dort auch gelandet – mit fünf Mitbewohnern. Man teilt sich sein Zimmer mit ein oder zwei Leuten. Das kann schon ziemlich anstrengend sein, da man kaum Privatsphäre hat und viele Leute unterschiedlicher Kulturen aufeinanderstoßen, die eben auch alle unterschiedliche Lebensgewohnheiten haben.

Was waren das für Leute, die da mit dir gelebt und gearbeitet haben?
Viele kamen von der Universität und haben ein Auslandssemester gemacht. Das wird von verschiedenen Universitäten angeboten und angerechnet. Eine meiner Freundinnen aus England hat zum Beispiel Tourismus Management studiert und hat ihr Auslandssemester dann für ein Jahr bei Disney gemacht. Sie hat dann in dem Cinderella Schloss gearbeitet. Da steht man zum Teil einfach nur da und begrüßt die Gäste – und dafür gibt es dann Credits.

Apropos Cinderella Schloss – Konntet ihr die Attraktionen der Disney World frei in Anspruch nehmen?
Ja, das ist aber auch unterschiedlich – je nach dem für welches Land du da bist. Es gibt Länder, die von Disney von Anfang an aufgebaut worden sind und es gibt Länder, die sich eingekauft haben. Länder wie Japan, Deutschland, Kanada, Norwegen und Frankreich wurden von Disney selber aufgebaut. Diese dürfen tagtäglich in die Parks und dürfen auch Freunde mit in den Park nehmen. Das ist ziemlich praktisch. Wir haben uns teilweise einfach zum Kaffee Trinken in irgendeinem Disney Park verabredet. 

Ein Jahr in der Welt der Disney Stars

Scheint als wäre die Märchenwelt Alltag. Lebt man da überhaupt in der Realität?
Disney Leute sagen selber immer, dass sie in einer „Disney Bubble“ leben und das ist wirklich so. Wir Deutschen hatten Schneewittchen als repräsentierende Prinzessin. Sie hat nach der Arbeit immer mit uns in der Backstage Area gechillt. Ich habe auch ganz viele Leute kennengelernt, die eine Disney Figur wie zum Beispiel Winny Poo gespielt haben. Da hat man sich dann schon manchmal gefreut – so als würde man jetzt wirklich die echte Figur treffen.

Nun warst du aber auch zum Arbeiten da. Wie sieht das in der Welt von Mickey Mouse und Co. überhaupt aus?
Ich war in dem deutschen Länderpavillon angestellt. Die ersten sechs Monate musste ich im Außenbereich arbeiten. Da steht man dann quasi an kleinen Stellen und verkauft Brezeln und Bier oder man steht im Sommerfest und verkauft Bratwurst und Schwarzwälder-Kirsch-Torte – also typisch deutsche Sachen. An fünf bis sechs Tagen in der Woche haben wir jeweils zehn bis elf Stunden gearbeitet. Man ist oft an seine Grenzen gekommen, aber durch den Zusammenhalt unter uns Mitarbeitern konnte man das irgendwie durchstehen. Wir wussten ja auch, was dann kommt: Nach den ersten sechs Monaten haben wir endlich Kellnertraining bekommen und konnten dann die restliche Zeit im Biergarten als Kellner arbeiten. Da haben wir dann mehr verdient und konnten uns oft freinehmen, sodass wir viel reisen und was vom Land sehen konnten.

Das klingt so gar nicht märchenhaft. Dabei hat die Disney World doch das Image, dass dort immer alle glücklich und zufrieden sind. Inwiefern wirkt sich das auf die Arbeit aus?
Als Mitarbeiter muss man das Image absolut leben. Wir mussten immer Lächeln und so tun, als wäre alles gut. Dabei haben wir oft gemerkt, dass Leute das teilweise ausnutzen. Ich habe oft gesehen, dass Leute ihr Bier aufgetrunken haben und ganz stumpf zu mir gekommen sind, um zu behaupten, es sei umgekippt. Ich musste ihnen natürlich ein neues geben und das kann dann schon ziemlich aufregen. Trotzdem gilt: Einfach drüber hinweglachen. Der Gast hat immer Recht, egal wie sehr er dich angelogen hat. Da kommt man nervlich schon oft an seine Grenzen!

Deutschland ist eine von elf Nationen, die im sogenannten „World Showcase“ von Disney nachgestellt werden

Dein Auslandsjahr war offensichtlich mit viel harter Arbeit verbunden. Bleibt da überhaupt noch Freizeit?
Ja, generell hat Disney jeden Tag eine Aktivität angeboten. Montags hatten wir Happy Monday: Ein internes Disney Spiel, bei dem alle Länder gegeneinander gespielt haben. Mittwochs hat Disney Busse zu einer Rooftop Bar organisiert und donnerstags gab es bei uns Deutschen einen Throw-In für die neuen Leute. Am Wochenende war eigentlich immer in der Downtown was los. Wenn ich dann aber den nächsten Morgen arbeiten musste, war das natürlich anstrengend, aber das ging schon irgendwie. Es tat einfach gut, auch mal aus der Disney World rauszukommen. Im zweiten Halbjahr hatten wir dann ja sowieso viel freie Zeit, um Urlaub zu machen und zu reisen.

Work and Travel in Australien vs. Arbeiten für Disney World: Was ist für dich letztendlich der Unterschied zum gewöhnlichen Auslandsjahr? Würdest du es weiterempfehlen?
Ich würde es trotz der harten Arbeit jedem empfehlen. Disney gibt dir unglaublich viele Möglichkeiten und es ist nicht unbedingt so, dass du ein Disney Fan sein musst. Disney kauft dir dein Visum für dreizehn Monate, was nicht alltäglich ist. Du verdienst viel, sodass du auch viel reisen kannst und unterschiedlichste Leute kennenlernst. Das hat man natürlich auch bei einem gewöhnlichen Auslandsjahr, aber für mich war es total gut, dass ich einen festen Arbeitgeber und eine feste Wohnung hatte. Ich glaube bei so einem Work and Travel in Australien ist es schon schwieriger, einen Arbeitgeber oder eine Wohnung zu finden. Das ist glaube ich nicht für jeden etwas. Disney konnte einem echt viel bieten, aber es kommt halt immer drauf an, was du selbst magst.