Neues Jahr, neues Glück: Karolin Aßheuer – 23-jährige Fitness- und Gesundheitstrainerin aus der westfälischen Kleinstadt Billerbeck – über typische Sportvorsätze, einen weit verbreiteten Neujahrsmythos, utopische Wunschvorstellungen der Studiobesucher im „Body & Soul“ und die Gefahren von Fitnessbloggern.

Schlank und fit werden, sich gesünder ernähren, Muskeln aufbauen: Was macht derartige Wünsche zu Jahresbeginn immer wieder so lukrativ?

Es sind übliche Vorsätze für das neue Jahr. Das neue Jahr ist ein unbeschriebenes Blatt, die Leute wollen komplett neu starten. Für viele ist ein solcher Start nützlich, viele machen sich allerdings auch einfach nur was vor.

Wie viele Neuanmeldungen hat es zum 1. Januar 2018 bei „Body & Soul“ gegeben?

Noch nicht so viele. Es ist ein Mythos, dass die Leute gleich zu Beginn eines neuen Jahres in die Fitnessstudios stürmen. Trotz der positiven Vorsätze dauert es, bis sich alle aufraffen können. Ende Januar geht es in der Regel so richtig los.

Practically nobody goes to gym 2 days in a row.https://9gag.com/gag/aOBXrR6?ref=fbpic

Posted by 9GAG on Sonntag, 31. Dezember 2017

Nur ein Mythos: So sieht es am 1. Januar in den wenigsten Fitnessstudios aus.

Mit welchen konkreten Wünschen treten die Leute dann wieder an euch heran?

Die persönlichen Wünsche in den Erstgesprächen sind in der Regel sehr oberflächlich. Die Mädels sprechen oftmals von „Bauch, Beine, Po“, bei den Männern ist es die Muskulatur. Bei uns gibt es daher immer Beratungstermine; anders als bei McFit und anderen großen Fitnessketten. In den Erstgesprächen geht es darum, tiefer zu gehen und die wahren Gründe herauszufinden. Dann ist es beispielsweise nicht mehr nur der Fakt abnehmen zu wollen, sondern der Wunsch nach langer Zeit mal wieder mit den Kindern auf dem Spielplatz spielen zu gehen. Teilweise fangen die Leute an zu weinen, weil man den Knackpunkt für das eigentliche Aufsuchen unseres Fitnessstudios gefunden hat: „Mein Freund hat Schluss gemacht“, „ich bin zu pummelig“ und vergleichbare Dinge. Die Erstgespräche sind wichtig, um die Leute hierzuhalten – um ihnen eine andere Motivation zu geben.

Haben 20- und 40-Jährige dieselben Wünsche?

Man kann nach Altersgruppen aufteilen. Die Leute bis 25 wollen fit werden, besser aussehen, schlanker werden und Muskeln aufbauen. Von Mitte 20 bis Mitte 30 haben wir fast niemanden hier, weil die Leute hier auf dem Land in der Familienplanung stecken – das ist schon sehr auffällig. Die Altersgruppe „Ü40“ möchte einfach nur fitter werden und eine bessere Ausdauer bekommen; hinzu kommen die Linderung von Rückenbeschwerden und der Wunsch nach mehr Beweglichkeit.

Wie häufig scheitern die „Fitnesswütigen“ mit ihren positiven Vorsätzen?

Sehr häufig. Viele machen alles auf einmal. Sie sitzen dann hier und sagen, dass sie gesünder leben wollen. Dann fragen wir, was für die Personen dazu gehört: „Ich will mit dem Rauchen aufhören, ich will weniger Alkohol trinken, ich will sportlicher werden.“ Sie stecken sich die Ziele schon sehr hoch. Das ist meistens auch der Grund, warum die Leute es dann nicht packen.

 

„Beratung first“: In diesem Büro halten Karolin Aßheuer und ihre Kollegen die so wichtigen Erstgespräche ab.

Was rätst du den Leuten, damit es gar nicht erst so weit kommt?

Die Leute müssen sich auf einer Skala einen perfekten Punkt suchen und die Ziele so hochstecken, dass sie noch motiviert sind – dass sie noch etwas dafür investieren, gleichzeitig aber auch schauen müssen, dass es nicht zu einfach ist. Man muss ein gesundes Mittelmaß finden und stets realistisch bleiben.

Wie viele dieser Leute schlagen eine langjährige Fitnesskarriere ein?

Von 50 schaffen es vielleicht zehn, über lange Jahre trainieren zu gehen und am Ball zu bleiben.

Woran erkennt man Personen, die sich die Vorsätze nur kurzfristig einreden?

Man erkennt es daran, dass die Leute die Treppe runterkommen, einen Termin vereinbaren wollen und sagen: „Ich wollte mich jetzt auch mal im Fitnessstudio anmelden wegen der guten Neujahrsvorsätze. Mal gucken, ob ich es schaffe – vielleicht mache ich es erstmal drei Monate.“ Die Leute machen sich selbst was vor und ziehen es oftmals ins Lächerliche; gute Neujahrsvorsätze in Anführungszeichen also. Man merkt, dass diese Leute es selbst gar nicht wollen.

Was macht ihr mit solchen Leuten? Steht die wirtschaftlich gute Lage eures Studios im Vordergrund oder doch eher die faire Beratung?

Bei uns steht die persönliche Beratung im Vordergrund. Das ist das, was viele Leute auch hier hält. Natürlich spielt auch die wirtschaftliche Komponente eine Rolle. Die Frage nach dem Erreichen persönlicher Ziele – „Wie wichtig ist es dir, wieder mit deinen Kindern auf dem Spielplatz zu spielen?“ – ist aber viel wichtiger. Das pusht die Leute.

 

Den Studiobesuchern stehen im „Body & Soul“ diverse Geräte zur Verfügung – Karolin Aßheuer macht es vor.

Typen, die von vornherein zum Scheitern verurteilt sind – gibt es sie?

Von vornherein nicht. Wenn jemand Fußball spielen möchte, weiß er, dass er Bock darauf hat und dass da eine Mannschaft ist; ein soziales Umfeld. Bei der Fitnesssache ist das so ein Problem. Meistens ist es ein Alleingang getreu dem Motto: „Wenn ich nicht mehr da bin, stört es auch keinen.“ Die Leute müssen für  sich aber auch erst einmal herausfinden, ob die Fitnesssache etwas für sie ist; das dauert sehr lange.

Wie lange halten Personen mit einem positiven Vorsatz erfahrungsgemäß durch?

Die Testphase erstreckt sich über drei Monate. Wenn das Wetter wieder besser wird, wenn es wieder wichtigere Dinge gibt, hören viele Leute wieder auf. Nach drei Monaten merkt man, ob die Leute „angefixt“ sind oder nicht.

Von 150 auf 80 Kilo: Gibt es derartige Paradebeispiele in eurem Studio?

Es gibt so einige, die richtig schlank geworden sind, die auch wirklich übergewichtig waren. Man nimmt es auf den ersten Blick häufig aber gar nicht so richtig wahr, wie viel die Leute tatsächlich abnehmen. Viele sind wahnsinnig stolz auf ihre Ergebnisse und zeigen uns Fotos davon, wie sie mal ausgesehen haben.

Durch die zunehmende Digitalisierung üben Fitnessblogger und digitale Fitnessprogramme einen immer größeren Druck auf Fitnessstudios aus. Welches Konzept ist am erfolgversprechendsten?

Es ist typenabhängig. Es gibt die Leute, die es am liebsten mit sich selbst ausmachen, denen es unangenehm ist, im Fitnessstudio zu sein oder vor anderen Leuten Sport zu machen; denen so ein Einzeltraining mit Daniel Aminati oder Sophia Thiel ganz guttut, um erst einmal reinzukommen. Trotzdem glaube ich, dass das persönliche Umfeld bei uns im Fitnessstudio ein erfolgversprechender Faktor ist. Du hast deine feste Truppe, mit der du deine Kurse machst, du hast Whatsapp-Gruppen mit deinen Kursteilnehmern – das ist was ganz anderes. Die Mehrheit kann sich durch ein soziales Umfeld mehr motivieren.

Die Ruhe vor dem Sturm: Ende Januar starten die Sportler mit ihren positiven Vorsätzen wieder so richtig durch.

Welche Gefahren bergen Fitnessblogs oder digitale Fitnessprogramme?

Klar sieht eine Sophia Thiel top aus und ist super sympathisch. Sie weiß aber nicht, was die vor ihr stehenden Leute tatsächlich haben. Die Leute haben Spaß und sind motiviert, nach drei Monaten haben sie dann aber das Problem; das ist sehr gefährlich. Jemanden zu haben, der mal drüberguckt und weiß, was vor drei Jahren gewesen ist – Blutdruck, Ärzte, Operationen –, ist super wichtig. Man muss echt aufpassen, was man den Leuten mit auf den Weg gibt.

Hat ihr Hobby zum Beruf gemacht: Karolin Aßheuer, 23-jährige Fitness- und Gesundheitstrainerin aus Billerbeck.

Was hat sich durch die Blogger sonst noch verändert?

Die Ziele der Mädels haben sich seit dem Bloggerwahn – seit etwa zwei Jahren – extrem verändert. Du bekommst plötzlich von einem jungen Mädchen ein Foto einer Instagram-Bloggerin vorgelegt und es sagt dir, dass es genauso aussehen will. Dann musst du dir genau überlegen, wie du es den Leuten am besten vermitteln sollst, dass die gesteckten Ziele nicht immer ganz so einfach zu erreichen sind – dass zum Teil jahrelange Arbeit dahintersteckt.

Zum Abschluss eine Frage zu deiner Person: Übst du deinen Beruf auch wegen Fitnessbloggern à la Sophia Thiel aus?

Bei mir war es spontan. Ich habe hier trainiert und einfach mal gefragt, ob ich meine Ausbildung bei „Body & Soul“ machen kann. Anfangs war es der Schritt vom Hobby zum Beruf. Dennoch hat es sich komplett anders entwickelt, als ursprünglich erwartet – im positiven Sinne.