88,6 Prozent der Mitglieder von Stadt- und Gemeinderäten in NRW sind 41 Jahre oder älter. Fabian Urbeinczyk ist 21 Jahre alt und seit Oktober 2017 Vorsitzender der Jungen Liberalen in Gelsenkirchen. Ein Gespräch über politische Visionen, Motivation, Kampf um die Zukunft und FDP-Klischees.

Wie sieht dein Traum für eine politische Karriere aus?
Viele Leute denken, es gehe in der Politik nur um Posten. Ich glaube, darüber kann man sich in meinem Alter noch gar keine Gedanken machen. Wenn es mir um eine Karriere in der Politik ginge, wäre die FDP sicher nicht die richtige Partei im Ruhrgebiet, da hätte ich eher zur SPD oder CDU gehen müssen. (lacht) Ich würde unsere Stadt gerne lebenswerter gestalten. Ich möchte, dass junge Menschen hierherziehen und nicht nur weg – dafür will ich offen Probleme ansprechen.

Warum fiel deine Wahl auf die FDP?
Da gibt es viele Gründe für. Für mich ist grundsätzlich wichtig, dass beim Eintritt in eine Partei nicht nur das Wahlprogramm stimmen muss, sondern auch die Menschen dahinter. Hier finde ich die FDP sehr gut aufgestellt. Die zwei wichtigsten Themen aus dem Parteiprogramm sind für mich faire Spielregeln in der Wirtschaft und dass jeder Mensch ein eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Leben führen kann. Dabei spielt Chancengleichheit eine große Rolle. Jeder, der in Deutschland lebt und sich an die Regeln hält, sollte hier meiner Meinung nach auch dieselben Chancen erhalten.

 

Fabian Urbeinczyk zusammen mit Christian Lindner beim Frühlingsempfang der FDP Gelsenkirchen im Jahr 2017.
Bildrechte: Fabian Urbeinczyk

Geld ist kein Antrieb in die Politik zu gehen

Verdienst du Geld mit deiner Aufgabe als Vorsitzender der Jungen Liberalen?
Die Frage bekomme ich öfter gestellt. Aber nein, leider nicht. (lacht)

Was ist dann deine Motivation, dich politisch zu engagieren?
Mir macht die Arbeit Spaß! Es gibt einen regen Austausch zwischen uns JuLis und der Partei – was mir die Chance gibt zu sehen, wie Sachen in der Politik wirklich funktionieren. Vor dem Fernseher habe ich mir immer gedacht, das läuft alles in seiner gewohnten Routine, bis ich gemerkt habe, was da für ein langer Entscheidungsprozess stattfindet.

Außerdem lernt man viele interessante Menschen kennen, in Gelsenkirchen und darüber hinaus – auch in meinem Alter. Gerade Studenten, die an zwei Unis eingeschrieben sind und dann noch Segeln als Hobby haben. Ich weiß, dass sind so die klassischen JuLis-Klischees. (lacht) Aber es sind für mich wirklich interessante Menschen, die politisch sehr aktiv sind. Highlights sind natürlich Christian Lindner oder Joachim Stamp, der stellvertretende Ministerpräsident NRWs – Menschen, die ich sonst nicht kennengelernt hätte.

Was sind deine politischen Vorbilder?
Das ist eine schwierige Frage. Guido Westerwelle und Hans-Dietrich Genscher haben mich in ihrer Rolle als Außerminister beeindruckt. Sie haben für mich gezeigt, dass man nicht immer etwas mit Gewalt durchsetzen muss, sondern dass Reden und Verhandlungen viel bewirken können. Dann kommt noch Marco Buschmann (Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, A.d.R.) hinzu. Er hat an die FDP geglaubt, als sie 2013 aus dem Bundestag geflogen ist und maßgeblich an der Neuausrichtung der Partei mitgewirkt. Viele haben aufgegeben, er hat weiter gemacht. Das finde ich schon bewundernswert.

Es gibt einen Mangel an Austausch zwischen alten und jungen Politikern, vor allem bei Zukunftsthemen

5G sei nicht „an jeder Milchkanne“ nötig, sagt Bundesministerin für Bildung und Forschung Anja Karliczek – was würdest du Ihr entgegnen?
Ich sehe das als Armutszeugnis. Als Bildungsministerin sollte man wissen, was in Zukunft auf die Schüler zukommen wird. So viele Branchen werden durch die Digitalisierung wegfallen und neue Jobs entstehen. Da geht es in erster Linie darum zu entscheiden, wie man die Schülerinnen und Schüler darauf vorbereitet. Wenn eine Ministerin in diesem Bereich schon aufgegeben hat oder keine Motivation findet, sollte sie mal darüber nachdenken, ob sie den Posten nicht lieber abgibt.

88,6 Prozent der Mitglieder in den Stadt- und Gemeinderäten in NRW sind 41 Jahre und älter. Wie wirkt sich diese Situation auf deine Arbeit aus?
Debatten ziehen sich, egal worum es geht, in die Länge. Das sind häufig Kleinigkeiten in Diskussionen, die zeitraubend sind und den Fortschritt verhindern. Manchmal sollte man lieber machen, anstatt zu reden. Heute denken ältere Politikerinnen und Politiker an ihre, nahe Zukunft und oft wird vergessen, was auf die junge Generation zukommt. Ob es um Rente oder Arbeitsplätze geht – hier findet man einen Mangel an Austausch. Bei der FDP sind wir zum Glück in die Entscheidungsprozesse miteinbezogen und können uns auch wirklich beteiligen.

„Auch bei Rückschlägen werde ich weitermachen“

Was würde dich dazu bringen, aus der Politik auszutreten?
Wenn die Themen, für die ich eingetreten bin, unwiderruflich nicht mehr Teil der Kampagnen wäre, würde ich die Partei verlassen. Ich sehe momentan keinen Grund mit der Politik aufzuhören. Auch bei Rückschlägen werde ich weitermachen, ich bin ja nicht aus Watte und breche bei jedem Rückschlag zusammen. Wir sind in unserer Gesellschaft an einem Punkt angekommen, wo viele Dinge schnell aufgegeben werden und da möchte ich entgegenwirken.

Wenn ich einen Tag Bürgermeister der Stadt Gelsenkirchen wäre..
Dann bräuchte ich erstmal mehr Zeit. (schmunzelt) Ich würde versuchen, das Arbeiten der Stadt effizienter zu machen und das eingesparte Geld sofort in die Sanierung von Schulen stecken. Ich glaube da ist noch viel Raum nach oben.

Details zur WDR-Recherche „Junge Politiker“ könnt ihr hier nachlesen.