• Roh-Veganismus ist eine spezielle Form des Veganismus, die auch von Veganern kritisiert wird.
  • Die Nahrung besteht hauptsächlich aus rohem Gemüse und anderen Lebensmitteln, welche niemals über 42 Grad Celsius erhitzt werden.
  • Die rohe Zubereitung soll dafür sorgen, dass keine Nährstoffe der Pflanze beim Kochen verloren gehen.

Die Wangen sind eingefallen. Eine innere Leere durchzieht den ganzen Körper. Der Kopf dröhnt, als würde neben mir ein Flugzeug starten. Und diese Bauchschmerzen, bitte lass sie aufhören.

Rohes Gemüse zu jeder Mahlzeit, Saucen aus Avocados, Proteine aus Nüssen und Samen und auf keinen Fall tierische Produkte: Das alles ist Teil der roh-veganen Ernährung. Bei dieser speziellen Form des Veganismus wird kein Lebensmittel über 42 Grad Celsius erhitzt, das soll alle Nährstoffe erhalten.

Das klingt erstmal einfach, doch wie fühlt es sich an, nur rohes Gemüse zu essen? Wie groß ist der Unterschied zur veganen Ernährung? Und wie fühlt sich ein Fleischesser, wenn er plötzlich nur noch Rohkost isst? Ein dreitägiges Selbstexperiment eines Fleischessers und einer Veganerin liefert Antworten.

Roh-vegan? Für einen Fleischesser eigentlich unmöglich

Meine Gedanken, sie kreisen seit dem Morgen nur noch um eines: Essen. Das Experiment, das ich wage, hat es in sich. Drei Tage lang will ich mich nur von Rohkost ernähren.

Roh-Vegan nennt sich diese Lebenseinstellung. Für einen wie mich, der sich morgens Salami auf das Brötchen packt, der mittags liebend gerne eine fettige Pommes-Currywurst mit extra viel Mayo isst und abends nicht ohne sein belegtes Brot mit cremigen Käse kann, für den ist es schon eine Herausforderung, vegetarisch zu essen. Vegan? Gar nicht möglich, zumindest sage ich mir das. Roh-vegan? Unvorstellbar. Und doch habe ich das Experiment gewagt – und verloren.

Ein einfacher Salat – ganz ohne Fleischbeilage. Foto: Niklas Berkel

Rohe Paprika statt Linsen-Bolo

Seit über einem Jahr ernähre ich mich vegan. Frisches Gemüse gehört immer auf meinen Speiseplan, jedoch wird das meistens gekocht und Teil eines Kichererbsen-Currys oder einer Linsenbolognese. Rohkost esse ich dagegen eher selten, und wenn dann mit Hummus.

Auch auf den werde ich in den nächsten drei Tagen verzichten müssen, da die Kichererbsen gekocht werden. Das fängt ja gut an. Schnell wird mir bewusst, dass ich nun auf einige Standard-Lebensmittel verzichten werden muss: Linsen und Erbsen, Tofu und Tempeh, Reis, Nudeln und Kartoffeln. Meine Einkaufsliste wird immer kürzer.

Auch kein Kaffee für den Fleischesser?

Der erste Morgen ist schon eine Herausforderung. Müden Schrittes schleichend, den Magen knurrend setze ich mich an den runden, ebenholzfarbenen Frühstückstisch zu meiner Freundin. Während sie sich genüsslich ihr Brötchen schmiert, bin ich gerade dabei, die Kaffeemaschine zu betätigen. „Ja, was machst du denn da?“, schnappen meine vom Schlaf noch tauben Ohren auf. „Ach ja…“, ist das einzige, was ich zustande bringe.

Sich roh-vegan zu ernähren, das bedeutet auch, auf Kaffee zu verzichten. Es bedeutet, auf Essen zu verzichten, das verarbeitet ist, das über 45 Grad gekocht oder erhitzt wurde – und es bedeutet für mich meine ganze kulinarische Welt. Ohne Koffein in den Tag zu starten, bin ich nicht gewohnt, dementsprechend schlapp schleppe ich mich durch den Tag. Etwas besser wird es dann aber mit der Zeit.

Paprikas enthalten viel Vitamin C – das verlieren sie jedoch beim Kochen. Foto: Niklas Berkel

Genervte Veganerin

Nachdem ich auf meinen üblichen Kaffee zum Frühstück verzichten musste, ist es Zeit für mein erstes roh-veganes Gericht. Gefüllte Paprika soll es geben. Die wird natürlich nicht im Ofen gemacht und mit veganem Hack oder Linsen gefüllt. Eine Avocado-Brokkoli-Creme dient als Füllung. Ob das schmeckt? Schnell zubereitet ist es zumindest, ich brauche keine zehn Minuten. Der Geschmack ist dann jedoch enttäuschend. Die Füllung ist zwar sehr lecker, doch ich hätte lieber Kartoffeln dazu an Stelle einer rohen Paprika.

Immer noch hungrig beende ich meine erste Mahlzeit und sehne mich schon nach dem Abendessen. Bis dahin fülle ich meinen Magen mit Wasser, aber ich fühle mich trotzdem schlapp und energielos. Ein Tee soll Abhilfe schaffen. Erst nach einer halben Tasse fällt mir auf, dass auch Tee nicht als roh-vegan gilt, na toll. Ich bin genervt.  Auch das lang ersehnte Abendessen, ein frischer Obstsalat, kann meine Laune nicht verbessern und ich gehe hungrig ins Bett.

Ein Obstsalat liefert viele wichtige Vitamine – und er schmeckt. Foto: Niklas Berkel

Es fehlt etwas Warmes – es fehlt Fleisch

Zum Mittagessen gibt es Salat. Rote, knackige Paprika, bissfeste Gurke, saftige Tomaten. Es schmeckt und spendet Energie. Der Rest des Tages verläuft trotz Fußballtraining am Abend ereignislos – ich fühle mich normal. Das soll aber nicht mehr lange anhalten.

Schon zum Nachmittag des nächsten Tages kommen die Kopf- und die Bauchschmerzen. Ich habe zum Frühstück einen überragend leckeren Obstsalat und gönne mir zum Mittagessen wiederum einen klassischen Salat. Aber mir fehlt etwas Warmes, etwas Fettiges, etwas – ja, etwas, das meinen Magen füllt: wie Fleisch.

Dazu gesellen sich diese Gedanken. Ganz schlimm trifft es mich aber erst am darauffolgenden, letzten Tag. Meine Freundin und ich sind bei ihren Eltern zu Gast. Während ihr Vater sich genüsslich einen Toffifee nach dem anderen in den Rachen schiebt und meine Freundin – mir kam es so vor – säckeweise M&M’s nascht, kann ich nicht mehr.

Mit frischer Minze schmeckt der Rote-Beete-Smoothie noch besser. Foto: Sina Schneider

Vegane Proteine mal anders

Der nächste Tag beginnt ähnlich schlecht. Ich fühle mich, als hätte ich ein Loch in meinem Magen und ich sehne mich nach einer Scheibe Brot. Für mich gibt es jedoch nur einen Smoothie mit Roter Beete und Himbeeren. Ich füge noch einen Esslöffel Leinsamen hinzu um wenigstens ein paar Proteine im Frühstück zu haben. Langsam frage ich mich, ob es wirklich sinnvoll ist, auf die großen Proteinlieferanten wie Hülsenfrüchte und Soja zu verzichten.

Den Gedanken schiebe ich jedoch schnell zur Seite und versuche mich zu beschäftigen. Ich fühle mich jedoch so energielos, dass ich mich für Netflix entscheide. Ein Spaziergang, den ich sonst wahrscheinlich vorgezogen hätte, scheint mir fast unmöglich. Ich möchte einfach die Zeit bis zur nächsten Mahlzeit rumbekommen. Wieder ist das Gericht schnell zubereitet, wieder gibt es Avocado-Sauce.

Zu verführerisch sind die Chicken Wings

Alle meine Gedanken kreisen sich nur noch um ungesunde Ernährung. Ich weigere mich, meine angedachte Mahlzeit für den Nachmittag zu mir zu nehmen. Was ich sehe, sind nur noch die Chicken Wings, die wir noch im Kühlschrank haben – ja hatten.

Rund vier Stunden, bevor das eigentliche Experiment endet, muss ich nachgeben. Die Kopf- und Bauchschmerzen wurden so schlimm, dass ich nicht länger warten kann – meine Gedanken laufen jetzt endlich wieder in gewohnten Bahnen.

Endlich wieder Tofu

Mit dem letzten Bissen ist das Experiment für mich vorbei. Drei Tage lang habe ich mich hungrig und schlapp gefühlt, jedoch auch sehr leicht. Ich möchte definitiv nicht auf warme Mahlzeiten mit Hülsenfrüchten, Tofu, Reis und vielem mehr verzichten. Trotzdem kann ich mir vorstellen, die ein oder andere Mahlzeit für den kleinen Hunger roh-vegan zu gestalten.

Hier gibt es die Rezepte:
https://www.isshappy.de/fruchtiger-beeren-smoothie-mit-rote-bete-lecker-vegan-gesund/
https://www.isshappy.de/zucchini-spaghetti-mit-avocado-pesto/?utm_source=website&utm_medium=blogpost&utm_campaign=zucchini-rezepte
https://www.bevegt.de/rohvegan-review/