Sanne Buskermolen (38) ist ein Musicalstar. Sie spielte schon in “Tanz der Vampire” und “Mamma Mia” mit und träumte als Kind schon von dieser Karriere. Eigentlich steht die Niederländerin achtmal pro Woche auf der Bühne, ist durch die Pandemie aber seit März in Kurzarbeit. Jetzt lernt sie Gitarre, ihr erstes Instrument überhaupt, singt mit Freunden über Zoom und hofft, dass Ihr Traum bald weitergeht.

Von Julia Dolinsky, Lilian Strotherm, Nele Scheuschner, Alicia Maselli, Christin Bieber und Jannis Seelbach zwischen Amsterdam und der Lehrredaktion Online

Ein Interview mit einer Künstlerin, die es sogar schafft in einem Mini-Zoom-Fenster so viel Energie, Lebensfreude und Herzlichkeit auszustrahlen, dass man weiß, sie gehört definitiv auf die Bühne.

Sanne, wann hast Du selbst gemerkt, dass die Bühne, etwas für Dich sein könnte?

Ich habe bereits als Kind angefangen zu tanzen. Mit zwölf Jahren hatte ich eine Ausbildung mit dem Fokus auf Tanz gemacht, bevor ich dann mit 18 Jahren mein Studium begonnen habe. An der Kunsthochschule in Amsterdam hat sich dann mehr und mehr herausgestellt, dass Musical meine Leidenschaft ist. Also man kann schon sagen, dass ich so eine Art Tunnelblick hatte. (lacht)

Wenn Du jetzt zurückschaust, würdest Du es wieder so machen?

Ja, ich denke schon, dass ich es wieder so machen würde. Ich hatte immer Spaß und bin bis heute mit dem Herzen dabei. Andere wissen häufig nicht, was sie machen wollen, aber ich wusste es schon immer. Es fühlt sich so an, als hätte sich meine Vision verwirklicht.

Wir studieren ja gerade und schreiben auch für ein studentisches Medium. Du hast in Amsterdam studiert – hast Du noch Kontakt zu deinen Kommilitonen und Kommilitoninnen?

Nein, leider nur selten. Ab und zu treffen wir uns nochmal, aber da ich jetzt in Deutschland bin, habe ich viele aus den Augen verloren. Viele meiner Mitstudierenden sind z. B. in Holland geblieben oder anderswo ins Ausland gegange. Neulich habe ich einen alten Schulkollegen getroffen, wir waren dann zusammen was trinken, das war sehr schön. Ich hätte sicher mehr Kontakt, wenn ich in Holland geblieben wäre. Dazu kommt, dass natürlich auch nicht alle beim Musical gelandet sind, sondern andere Wege gesucht haben, Erfolg zu haben.

Welches Arrangement hat Dir bisher am besten gefallen?

Mit Mamma Mia fühle ich mich sehr verbunden, aber auch Tanz der Vampire war sehr besonders.

Was war die blödeste Rolle, die Du jemals gespielt hast?

Jede Rolle hat Vor- und Nachteile, deswegen gibt es eigentlich gar keine blöden Rollen.

Was war das schrägste Erlebnis in Deiner bisherigen Karriere?

Bei „Tanz der Vampire“ habe ich einen Domino-Sturz verursacht. Gemeinsam mit meinen Kolleg*innen sind wir durchs Publikum getanzt, ich bin ganz vorne gelaufen und dann gestürzt, sodass alle anderen auch gestürzt sind. Das war sehr unangenehm, denn die Sekunden fühlen sich in solchen Momenten an wie Stunden. (lacht)

Wie oft bist Du schon umgezogen?

Umgezogen bin ich insgesamt zwölf Mal, aber ich habe natürlich auch schon für längere Zeiträume in Hotels gelebt.

Spielst Du auch ein Instrument?

Tatsächlich habe ich gerade eine Gitarre geschenkt bekommen und das ist das allererste Instrument, das ich lerne.

“Mich online zu präsentieren fällt mir schwer”

Erzähl doch mal, wie hat die Corona-Krise Dein berufliches Engagement gestört?

Momentan spiele ich einfach überhaupt nicht auf einer Bühne. Meine letzte Vorstellung hatte ich schon am ​dreizehnten März. Ich kenne aber Kollegen, die unter veränderten Bedingungen, also mit Abstand und Hygienekonzept, weitere Auftritte hatten.

Was machst Du momentan im zweiten Lockdown?

Für mich ist es eigentlich immer noch der erste Lockdown. Ich versuche eine neue Struktur für mich zu finden. Ich starte immer wieder kleine Projekte um mich beschäftigt zu halten. Zum Beispiel singe ich mit meinen Freunden über Zoom oder ich lerne Gitarre. Ich habe nämlich zu meinem Geburtstag eine Gitarre geschenkt bekommen. Natürlich hatte ich Existenzangst, aber andererseits habe ich wegen des Lockdowns auch mehr Zeit für meine Familie gehabt.

Wie geht es Deinen Kollegen in der aktuellen Situation?

Viele meiner Kollegen sind auch in Kurzarbeit. Einige von ihnen machen sehr viel online über Social Media, sie laden zum Beispiel Videos hoch, wo sie singen oder tanzen. Das ist aber nichts für mich. Ich mag es nicht so, mich online zu präsentieren, ich stehe lieber auf der Bühne. Wir reden aber alle viel zusammen, teilen unsere Emotionen und Gedanken und frage uns vor allem regelmäßig: Wie geht es Dir, ist alles in Ordnung und sprechen uns gegenseitig Mut zu.

Wie findest Du denn die Corona Maßnahmen, gerade weil Du und deIne Branche so stark betroffen ist?

(Überlegt)…Das ist schwer zu sagen. Es gibt einfach kein Richtig oder Falsch. Nicht alle Maßnahmen machen für mich persönlich Sinn (lacht). Z. B. sind die Theater gesperrt, aber bei Zara stehen Menschen dicht gedrängt aneinander. Und es gab mega gute Konzepte aus unsere Branche –  dann ist es einfach schade, dass es nicht die Möglichkeiten gab und gibt, die Theater mit diesen Konzepten zu öffnen. Ich habe aber sehr großen Respekt vor den Hygieneregeln und wir müssen natürlich besonders aufeinander aufpassen, das ist ganz klar.

So darf es jetzt nicht enden

Probst Du zurzeit, oder gibt es Pläne für Proben in naher Zukunft?

Im August sollte es in Hamburg weitergehen, mit vielen neuen ​Cast-Mitgliedern. Wie gesagt, das hat nicht geklappt. Nächstes Jahr werden wir – Stand jetzt – wieder mit den Proben beginnen und alles ganz neu aufnehmen. Ich versuche mich natürlich fitzuhalten, damit ich jederzeit loslegen kann, heißt ich treibe Sport, ich singe jede Woche – aber nicht nur die Lieder aus Mamma Mia, die habe ich schon total verinnerlicht. (lacht)

Du hast uns erzählt, dass Du Kurzarbeitergeld erhältst. Wie ergeht es Bekannten von Dir aus der gleichen Branche?

In unserem Beruf sind sehr viele mit dem ganze Herzen und voller Ledenschaft dabei und man nimmt dafür vieles in Kauf. Die wenigsten, da bin ich sicher, werden durch Corona ihren Traum aufgeben. Viele meiner Bekannten und Kollegen suchen allerdings eine Alternative, einfach um etwas zu tun zu haben​ und um Geld zu verdienen. Wir halten uns einfach über Wasser und hoffen erst einmal, dass wir so bald wie möglich wieder zurückkommen. Dass es so endet, möchte niemand.

Gibt es einen Plan B für Dich?

Es fällt mir sehr schwer mir etwas anderes vorzustellen, da ich als kleines Mädchen schon genau von diesem Leben geträumt habe. Aktuell habe ich aber dennoch gemerkt, dass ich auch sehr gerne etwas mit Kindern oder Schülern mache. Da denke ich intensiver darüber nach. Aber ehrlich gesagt, eine echte Alternative gibt es (noch) nicht.

Hattest Du 2020 einen persönlichen Wunsch oder ein Projekt, was weggefallen ist?

Ich wusste vorab, dass ich von April bis August eine kleine Pause habe. ​8 Shows ​pro Woche können sehr intensiv sein. Es war ein schöner Urlaub geplant und ich wollte Freunde treffen. Dann wollte ich nach Hamburg in eine zweite Wohnung ziehen und dort die Show spielen, nunja das alles ist weggefallen…

Hast Du durch die Pandemie auch Positives erlebt?

Während der Pandemie habe ich privat viel Zeit dazugewonnen. Ich habe gelernt, die kleinen Dinge wieder mehr schätzen. Auch habe ich wieder einen Blick für neue Wege bekommen, mich auszuprobieren.

Sanne, wir danken Dir für das Interview!