Deutschland ist seit vielen Jahrzehnte Heimatland für viele Menschen aus verschiedensten Ländern. Doch der Einstieg in dieses Leben war nicht für jeden leicht und ist es noch immer nicht. Väter und Mütter wollen ihren Kindern eine Zukunft mit Bildung ermöglichen, die ihnen verwehrt blieb. Dafür arbeiten sie Tag für Tag sehr hart. Doch wer hilft diesen Kindern, wenn keiner Zuhause ist? Emre Öztürk erzählt uns, wie es bei ihm war.

Im Schnitt haben ca. 500.000 von 2,8 Millionen aller Studenten in Deutschland einen Migrationshintergrund. Dass Kinder mit Migrationshintergrund in höherem Ausmaß von sozialen und finanziellen Risiken betroffen sind sowie aus einem bildungsfernen Elternhaus stammen, bestätigt erneut eine Studie von DZHW/Stiftung Mercator sowie die 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks. Dazu kommt, dass ein Großteil der 500.000 Studenten aus Nicht-Akademiker-Familien stammt. Emre Öztürk (24) ist einer von ihnen. Sein Weg bis zum Studium war nicht leicht.

Probleme in der Schule – kein Geld für Nachhilfe

Schon früh stößt Emre in der Schule auf Barrieren. Gerade bei umfangreichen Hausaufgaben oder Hausarbeiten bekommt er schlechte Noten. Er versteht viele Aufgaben nicht und seine alleinerziehende Mutter kann ihm nicht helfen. Sie arbeitet und kommt daher erst spät nach Hause. Selbst wenn sie Zeit hätte, kann sie ihn nicht unterstützen, denn sie versteht die Aufgaben genauso wenig wie Emre. Für einen Nachhilfelehrer ist das Geld zu knapp und genau hier beginnt die Not.

Emre will aber nicht aufgeben. Er möchte es schaffen. Er sucht das Gespräch mit seinem Lehrer. Von ihm erfährt er von der Aasee-Halle in Bocholt. Dort können sich Kinder und Jugendliche treffen, um zu spielen oder gemeinsam mit freiwilligen Betreuern zu lernen. „In den nächsten vier Jahren bin ich jeden Tag dort hingegangen, um zu lernen oder um mir Tipps fürs Lernen zu holen“, erzählt Emre. „Es war nicht leicht immer konzentriert zu bleiben, weil die anderen in meinem Alter dort gespielt haben. Eigentlich hätte ich auch lieber mit ihnen gespielt, als zu lernen.“ Vier Jahre Konzentration, vier Jahre dranbleiben. Danach war er bereit, er hatte tatsächlich in der Aasee-Halle all das gelernt, was er brauchte, um die Schule zu schaffen und sich in Zukunft selbst helfen zu können.

Ohne Hilfe geht es kaum

„Der größte Wunsch meiner Mutter war immer, dass ich irgendwann mal studieren gehe“, sagt er. Er entscheidet sich für ein BWL-Studium, obwohl er für sich einen anderen Plan hatte. Eigentlich wollte er nach seiner abgeschlossenen Ausbildung als Kaufmann ins Büromanagement einsteigen, um seiner Mutter finanziell helfen zu können. Aber ihr war seine Bildung wichtiger als Geld. „Jetzt stehe ich wieder vor Barrieren, die ich allein nicht überwinden konnte“, gibt er zu. Aber er hatte erneut einen Mentor oder besser, diesmal sogar Mentoren. Schon zu Beginn seines Studiums überzeugte er mit Persönlichkeit und machte Freunde. Wie damals in der Aasee-Halle helfen sie ihm, wenn er mal nicht weiterweiß. „Wenn ich diese Menschen nicht kennengelernt hätte, müsste ich wahrscheinlich mein Studium frühzeitig beenden.“ Doch nicht jeder hat solche Freunde oder Durchhaltevermögen wie Emre. Die traurige Bilanz: 43 % (ca. 215.000 der 500.000 Studenten mit Migrationshintergrund) müssen ihr Studium vorzeitig beenden.