Mit 35 in den Ruhestand — ist das erstrebenswert? Frugalisten sagen ja! Sie streben nach finanzieller Unabhängigkeit; um das zu erreichen, gibt es für sie zahlreiche Wege. Ein Interview mit einer jungen Frugalistin.

Frugalismus: Dieser Lebensstil steckt dahinter
Frugal bedeutet übersetzt nichts anderes als „bescheiden“ oder „genügsam“. Der Frugalismus hat seinen Ursprung in Amerika und weist Ähnlichkeiten zum Minimalismus auf. Er basiert auf der „FIRE“ Bewegung, die für „Financial Independence, Retire Early“ steht. Ein wichtiger Aspekt für frugales leben ist daher das Finanzmanagement und der stetige Aufbau eines passiven Einkommens – dieses führt langfristig gesehen zu finanzieller Unabhängigkeit. Sobald das 25-Fache des eigenen Jahresbedarfs zurückgelegt und in Aktien investiert wurde, kann man in seinem restlichen Leben von der Rendite leben, so das Konzept von „FIRE“.

„Geld ist für mich nicht Reichtum, sondern Freiheit“

Judith (24), im Netz auch bekannt als „genial_frugal“, lässt ihre Follower an ihrer Reise zur finanziellen Freiheit teilhaben. Sie gibt Spartipps, teilt ihre Investitionen und informiert über Minimalismus. „Mit 35 Jahren finanziell unabhängig sein“, so steht es auf ihrem Instagram-Profil – mit Frührente hat das für sie allerdings nichts zu tun.

Wie bist du zum Frugalismus gekommen?

Ich bin eigentlich schon immer jemand gewesen, der frugal gelebt und gedacht hat. In meiner Kindheit habe ich nie etwas von Geldproblemen in meiner Familie mitbekommen, deswegen kann ich auch nicht wirklich genau sagen, woher dieses Denken gekommen ist. Vor einigen Jahren habe ich dann das erste Mal das Wort „frugal“ gehört und mich intensiver damit auseinandergesetzt. Kurz darauf fing es dann an, ich habe meine Leidenschaft für Finanzen entdeckt.

Wenn du Frugalismus jemandem Ahnungslosen beschreiben müsstest, wie würdest du das Konzept zusammenfassen?

Es geht im Frugalismus grundsätzlich darum, sich finanziell weiterzubilden. Das Reduzieren von unnötigen Ausgaben schafft Kontrolle über die eigenen Finanzen. Zusätzlich kommt noch das Streben nach mehr Freiheit und nach mehr Möglichkeiten im Leben hinzu. Größere Träume lassen sich mit finanziellen Rücklagen einfacher erfüllen. Mit Verzicht hat Frugalismus also nichts zu tun, sondern mit einem reflektierten und bewussten Leben. Geld ist für mich eigentlich nur Mittel zum Zweck; es geht nicht um Reichtum, sondern um Freiheit.

Denkst du, dass Frugalist zu sein auf Dauer glücklich macht?

Mich persönlich macht es sehr glücklich. In den Medien sieht man leider oft Extrembeispiele von Frugalismus, die abseits der Realität liegen. Im Zentrum vom Frugalismus steht, dass man seinen eigenen Alltag und sein eigenes Leben reflektierter gestaltet und nicht bloß wahllos konsumiert, wie es leider viele tun. Es geht dabei nicht unbedingt um krampfhaftes Sparen – es macht mich zum Beispiel auch glücklich, wenn ich meine Freunde zum Essen einladen kann, ohne dabei auf den Preis achten zu müssen.

Finanziell unabhängig zu sein ist ein dehnbarer Begriff. Wenn du von investiertem Geld lebst, bist du dann unabhängig?

Natürlich ist es in gewisser Weise so, dass man von der Börse, finanziellen Schwankungen und dem Weltmarkt abhängig ist. Investitionen und das dazugehörige Finanzwissen baut man sich aber über einen längeren Zeitraum auf; das Risiko von Investitionen sollte man auch immer streuen. Den klassischen Notgroschen oder eine finanzielle Grundlage hat man durch Rücklagen immer noch, sollte etwas Ungeplantes oder Unerwartetes passieren. Fakt ist, je mehr passives Einkommen ich habe, desto unabhängiger werde ich mit der Zeit.